Prokrastination vermeiden – weniger aufschieben, mehr erledigen
Als erstes soll gesagt sein: Prokrastinieren ist ganz normal. Wir alle tun es. Manche mehr, manche weniger. Aber wir alle haben schonmal ein Meeting verschoben, konnten eine Deadline nur knapp einhalten und uns danach gefragt: «Wieso habe ich so lange damit gewartet, den Task zu beginnen?».
Zu viel Prokrastination ist allerdings nicht gut. Denn unkontrolliertes Aufschieben kann sich letztlich negativ auf die psychische Gesundheit auswirken und durch unerledigte Projekte und Arbeitsstaus viel Stress verursachen. Dies gilt insbesondere für Unternehmerinnen und angehende Gründer, deren wirtschaftlicher Erfolg stark von ihrer Fähigkeit zur Selbstmotivation und häufig auch von ihrer Fähigkeit, Prokrastination zu vermeiden, abhängt. Der Kampf gegen die Prokrastination ist eine Frage der Akzeptanz, des Verständnisses und vor allem der persönlichen Herangehensweise.
Was ist Prokrastination überhaupt?
Unter Prokrastination versteht man im Allgemeinen das Aufschieben einer Aufgabe bis kurz vor oder sogar nach dem Fälligkeitstermin, obwohl man eigentlich genügend Zeit hätte und genau weiss, dass man dadurch später in eine Stresssituation geraten wird.
Man unterscheidet zwischen normaler und chronischer Prokrastination.
Normale Prokrastination
Von normaler Prokrastination sprechen wir dann, wenn wir eine Aufgabe als schwierig oder lästig empfinden oder weil wir nicht wissen, wie wir anfangen sollen. Wir zögern, weil wir denken, dass wir später noch genügend Zeit haben werden und dieser Task jetzt noch nicht dringend ist. Manchmal warten wir auch einfach auf einen geeigneten Zeitpunkt, diese Aufgabe umzusetzen, obwohl wir in unserem Inneren genau wissen, dass dieser nie kommen wird und wir uns selbst damit keinen Gefallen tun.
Chronische Prokrastination
Chronische Prokrastination tritt dann ein, wenn das regelmässige Aufschieben immer häufiger wird, langsam überhandnimmt und sich negativ auf die Arbeit, die psychische Gesundheit und vielleicht sogar auf die Freizeit und soziale Kontakte auswirkt. Wenn das Prokrastinieren so weit fortgeschritten ist, wird es höchste Zeit, sich mit dem Problem auseinanderzusetzen und auf Ursachensuche zu gehen.
Wieso prokrastinieren wir?
In gewissen Fällen liegt der Prokrastination eine schwerwiegende psychische Erkrankung zugrunde. Wir widmen uns im folgenden Abschnitt ausschliesslich den externen Faktoren des Prokrastinierens, die wir aktiv durch Verhaltensänderungen beeinflussen können.
Unrealistische Ziele
Insbesondere Unternehmern oder Gründerinnen und Gründern kann es passieren, dass sie sich Ziele stecken, bevor sie überhaupt überlegt haben, wie sie diese erreichen können. Sind diese Ziele zu ambitioniert – beispielsweise ein unrealistisch hoher Umsatz im ersten Geschäftsjahr – kann das dazu führen, dass die Aufgaben, die mit der Erreichung dieser Ziele verbunden sind, ständig nach hinten geschoben werden.
Weit in der Zukunft liegende Termine
Liegt ein Termin weit in der Zukunft, kann das zwar dabei helfen, etwas im eigenen Tempo und ohne Stress zu erledigen, es kann aber genauso gut auch dazu führen, dass die kleine Stimme im Hinterkopf ständig anklopft und einem sagt, dass man dafür ja noch soooo lange Zeit hat und es jetzt noch gar nicht so dringend ist. Viele Menschen werden dann am produktivsten, wenn sie Druck verspüren. Und den bieten weit entfernte Deadlines nicht. Deshalb kann es hilfreich sein, sich selbst etwas unter Druck zu setzen, zum Beispiel indem man sich eigene Deadlines zeitnah setzt.
Vergangenheits- und Zukunfts-Ich
«Das erledige ich morgen», hast du dir das auch schonmal selbst gesagt? Ok, zugegeben, diese Lösung ist für den Moment sehr zufriedenstellend und vor allem äusserst schnell. Aber, das Zukunfts-Ich ist meist wenig begeistert darüber. Vor allem Verwaltungs- und Administrationsarbeiten schieben wir gerne auf und überlassen deren Erledigungen unserem zukünftigen Ich. Wieso aber haben wir das Gefühl, dass wir in der Zukunft mehr Lust auf diese lästigen Aufgaben haben werden?
Man merke sich also: Was du heute kannst besorgen, das verschiebe nicht auf morgen.
Angst vor Entscheidungen
Die sogenannte «Entscheidungsphobie» bezeichnet die Angst, Entscheidungen zu treffen. Oder besser gesagt, die Angst, falsche Entscheidungen zu treffen. Aber nicht jeder, der vor Entscheidungen zurückschreckt, leidet unter dieser Phobie. Besonders gefährlich ist die Entscheidungsphobie für Unternehmerinnen und Unternehmer. Denn gerade wer ein Unternehmen führt, muss fast täglich Entscheidungen treffen. Werden diese Entscheidungen nicht getroffen, kann dies das Wachstum behindern oder die Arbeit anderer Beteiligter verlangsamen.
Perfektionismus
Von klein auf werden wir alle dazu angehalten, bei jeder Aufgabe, die uns gestellt wird, unser Bestes zu geben. Das Problem mit diesem Ratschlag ist aber, dass er sich als eine Botschaft über Perfektion manifestieren kann – dass, wenn wir nicht 100 % geben, es nicht gut genug ist. Künstlerinnen und Kreative leiden oft unter Perfektionismus, der sie sogar davon abhalten kann, ihre Werke anderen zu zeigen. Perfektionisten prokrastinieren, indem sie ständig Korrekturen, Änderungen oder Ergänzungen an fertigen Arbeiten vornehmen.
Angst vor dem Scheitern
Ähnlich wie der Perfektionismus ist auch die Angst vor dem Scheitern eine extreme Form der Prokrastination, die oft dazu führt, dass etwas gar nicht erst begonnen wird. Der Zögerer, der Angst vor dem Scheitern hat, konzentriert sich auf imaginäre katastrophale Konsequenzen statt auf die Aufgabe, die er zu erledigen hat. Plötzlich ist der erste kleine Schritt eine ganze Treppe, die ins Leere führt.
Prokrastination überwinden
So unterschiedlich die Gründe für die Prokrastination, so verschieden sind auch die Lösungsansätze, diese zu überwinden. Wir haben ein paar Techniken und Tipps zusammengestellt, wie Aufgaben künftig schneller erledigt werden können.
1) Prokrastination verstehen
Zunächst sollte man sich darüber klar werden, welcher Prokrastinationstyp man ist. Denn nur wer weiss, aus welchem Grund er oder sie regelmässig anstehende Tasks aufschiebt, kann auch Taktiken entwickeln, dagegen anzukämpfen.
2) Selbstvertrauen aufbauen
Prokrastination ist eine Form von Selbstsabotage. Sogar der übermütigste aktive Aufschieber macht sich die Dinge schwer und sabotiert sich selbst, was wahrscheinlich auf tieferliegende Probleme mit dem Selbstvertrauen hinweist. In einem Vortrag vor der American Psychological Association erklärte Dr. Ferrari, dass Nichtprokrastinierer, also Menschen, die nicht in diesem Umfang prokrastinieren, dass es ihr Leben beeinträchtigt, eine «stärkere persönliche Identität» haben und sich nicht darum scheren, was andere über sie denken. Klar, Selbstvertrauen aufbauen ist keine Aufgabe, die sich von heute auf morgen erledigen lässt. Aber ein guter Anfang wäre, sich kleine Aufgaben zu stellen, sie zu erledigen und sich anschliessend dafür zu loben. So schafft man sich selbst viele kleine Erfolgserlebnisse.
3) Alles oder nichts
Der Alles-oder-nichts-Ansatz ist vor allem in Diät- und Sportblogs zu finden. Ernährungsberater und Sportkolumnisten ermutigen ihre Leser, den Alles-oder-Nichts-Ansatz bei Diäten und Sport aufzugeben, weil starre Kalorien- und Trainingspläne zu viel Druck auf uns ausüben. Wir sind Menschen und geben der Versuchung regelmässig nach. Dafür sollten wir uns nicht bestraft. Das Gleiche gilt für den Kampf gegen das Aufschieben. Denn wenn man sich selbst vor die Wahl stellt: «alles oder nichts», wird man wohl eher «nichts» als «alles» tun.
4) Die Pomodoro-Technik
Die Pomodoro-Technik von Francesco Cirillo ist nach wie vor eine beliebte Zeitmanagementtechnik, seit Cirillo sie in den 1980er Jahren als Student erfunden hat. Mit Hilfe einer tomatenförmigen Stoppuhr (daher der Name «Pomodoro», italienisch für Tomate) legte Cirillo Intervalle von 25 Minuten fest, in denen er ohne Unterbrechung arbeitete und die er mit kurzen Pausen abwechselte. Die Technik besteht aus sechs Schritten:
1. Sich für eine Aufgabe entscheiden, die man erledigen will
2. Den Timer einstellen
3. An der Aufgabe arbeiten
4. Wenn der Pomodoro-Timer klingelt, mit der Arbeit aufhören und eine kurze Pause machen (~5 Minuten)
5. Zu Schritt zwei zurückkehren, bis drei Pomodoros geschafft sind
6. Nach den drei Pomodoros, eine vierte, längere Pause (~25 Minuten) einlegen, dann zu Schritt zwei zurückkehren.
Diese Technik funktioniert, weil sie der Aufgabe durch die Verwendung eines Timers eine gewisse Dringlichkeit verleiht. Aber das Gefühl der Dringlichkeit ist nicht stressig, weil es keinen Druck von aussen gibt – nur die eigene Entschlossenheit, während der Dauer jedes Intervalls zu arbeiten.
5) Ablenkungen vermeiden
Wir leben in einer Welt der endlosen Ablenkungen, und die grösste dieser Ablenkungen sind unsere Telefone, die wir zu jeder Tageszeit bei uns tragen. Eine einfache Möglichkeit, Ablenkungen zu minimieren, besteht darin, das Telefon ausser Reichweite zu halten, wenn man die oben beschriebene Pomodoro-Technik anwendet.
6) Tägliche Planung
Eine genaue Tagesplanung hilft, Aufschieberitis zu vermeiden. Am besten schreibt man sich gleich für die kommende Woche einen Zeitplan, in dem man sich für jeden Tag mehrere kleine Ziele setzt. So kann man mit wenig Aufwand Erfolgserlebnisse feiern und verschwendet weniger Zeit mit dem Überlegen, welche Aufgabe nun zu erledigen ist.
Erkenntnisse
- Prokrastination kann normal oder chronisch sein.
- Es gibt viele Gründe, warum wir etwas aufschieben. Wenn wir jeden einzelnen Grund verstehen, können wir das Aufschieben besser einschätzen und bekämpfen.
- Es gibt verschiedene nützliche Techniken, um Prokrastination zu verhindern.
- Trotz dieser Techniken gibt es keine schnelle Lösung gegen Prokrastination. Es ist ein fortlaufender Prozess.